Immer der Muschel entlang VII
- Carlito Thormann
- 23. Jan. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Dez. 2022
10.10.2021
Ich war früh aufgestanden, um mir frischen Orangensaft zu pressen. Meine Kapsel hatte ich schon geräumt, der Rucksack war wieder gepackt. Das Tagesziel war Portugalete und es gab zwei Möglichkeiten. Der offizielle Camino ging 19 Kilometer lang über mehrere Umschweife bis zur kleinen Stadt. Wegen der Verfassung meiner Füße, die Blasen waren noch nicht verheilt, entschied ich mich für die zweite Variante. Diese ging nur 13 Kilometer und führte am Fluss Nervión entlang.
Es führte mich erst wieder bis zum Guggenheim, denn der Weg am Fluss entlang fing unterhalb des Museums an. Den ganzen Morgen war ich auf in Industriezonen unterwegs. An diesem Tag war nicht das Laufen das schwierigste, sondern der Hunger. Meine Vorräte, auf dieser Reise meist aus Milkaschokolade, Babybel, Früchte und Brot bestehend, waren so gut wie aufgebracht. Auf der ganzen Strecke suchte ich nach einem Einkaufsladen, aber ich kam nur an Strassen und grossen Fabrikgebäuden vorbei.
Gegen Mittag kam ich dann schon in Portugalete an. Portugalete ist eine kleine Stadt, mehrheitlich am Hang links des Flusses gebaut. Ein kleiner Teil, vor allem öffentliche Einrichtungen, befindet sich auf der rechten Seite. Ich staunte, als ich erkannte, wie man von einer Seite des Nervión zur anderen gelangte: Eine Plattform, knappe zehn Meter lang, fuhr an Seilen hin und her und beförderte Fussgänger, Velofahrer und Autos zugleich auf die andere Seite. Ich löste ein Ticket für 45 Cent und bestieg den sogenannten Puente Colgan.
Auf der anderen Seite angekommen, blieb ich als erstes an einem Flohmarkt hängen. Bücher, Möbel und Schallplatten wechselten fleissig ihre Besitzer. Dann wurde ich von der Menge mitgerissen und landete im Publikum der lokalen Blaskapelle. Ich musste lächeln beim Gedanken, dass das doch ein großes Empfangskomitee war für einen kleinen Pilger wie mich.
Nachdem ich mir meinen Stempel im Tourismusbüro geholt hatte, machte ich mich auf die Suche nach der Albergue Bide-Ona, in der ich schon vor der Abreise reserviert hatte. Wie vorhin erwähnt, ist Portugalete an einem Hang gebaut. Dies erklärt, was mich sehr gewundert hat, das die Hauptstrasse, die nach oben führt, mit Rolltreppen ausgestattet ist. Beklagen konnte ich mich nicht, diesen Hang hochfahren anstatt hochlaufen zu dürfen.
Oben angekommen machte ich noch einen Abstecher in einem kleinen Laden, um meine Vorräte aufzufüllen und mir ein Mittagessen zu kaufen, das ich mir später in der Herberge zubereitete. Dann kam ich vor der Herberge an. Dort stand der Betreiber, der gerade jemanden am Telefon zusammenstauchte. Kein guter erster Eindruck. Er führte mich, nachdem er aufgehängt hatte, hinein in die Herberge, zeigt mir mein Bett. Ich richtete mich ein und hielt, nach meinem Mittagessen eine Siesta.
Kurz nachdem ich wieder aufgestanden war, kam Jürgen the German an. Er erklärte mir, dass er für die 13 Kilometer, er war dieselbe Strecke wie ich gelaufen, über sechs Stunden gebraucht hatte. Grund dafür war sein Knie, welches ihm Schmerzen bereitete. Wir unterhielten uns eine Weile, dann entschuldigte er sich, um Dehnübungen zu machen und sein Knie hochzulegen.
Am Abend verließ ich dann nochmals die Herberge und holte mir bei Domino’s eine sehr umstrittene Pizza, die ich hier zu meinem eigenen Schutz besser nicht benenne. Als ich zurück in die Herberge kam, war ein ganzer Trupp angekommen, der den Camino auf ihren Rädern bestritt. An sich ganz unauffällige Genossen, wäre da nicht ihre Freizügigkeit. Sie warteten Splitternackt darauf, dass die Duschen frei wurden. Das fand ich dann doch etwas gewöhnungsbedürftig, obwohl ich die männliche Anatomie ja von mir selbst her kenne.
Aber das Zusammenleben mit verschiedensten Menschen hatte ich, durch meine Erfahrungen in der Jubla, eigentlich schon gelernt. Doch diese Reise hat mir gezeigt: man lernt nie aus.
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