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Der Schattenkönig

  • Autorenbild: Carlito Thormann
    Carlito Thormann
  • 23. Feb. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Aug. 2023

Er nahm einen tiefen Zug, behielt den Rauch in seinem Mund, genoss den Geschmack des Tabaks und atmete aus. Um ihn herum der Lärm der Strasse, er hörte die spielenden Nachbarskinder, Tauben und die Gespräche unten im Café. Vom Balkon aus hatte man den Überblick über die ganze Strasse, über seine Strasse. Nur er wusste, dass es seine war. Mit der linken Hand strich er sich eine Strähne aus der Stirn und richtete seine Sonnenbrille, in der Rechten rauchte die Pfeife. Er genoss den Moment, badete in seiner, von seinen Mitmenschen ignorierten Macht. Jedes Gebäude, jede Wohnung, jedes Café und jeder Laden, alles von der Hausnummer eins bis zur neunundzwanzig, am Eck vorne, alles hatte er aufgekauft. Es hatte Jahre gedauert, er hatte verschiedene Firmen und Namen benutzt, doch er hatte es geschafft. Seit gestern, als er endlich das Haus kaufte, in dem er selbst wohnte, war es seine Strasse. Er steckte sich die Pfeife in den Mund und zündete sie erneut an. Jetzt, da es vollbracht war, konnte er glücklich leben. Endlich hatte er sein Lebenswerk beendet, sein eigenes kleines Königreich erbaut. Er kannte alle Menschen, die darin lebten und diejenigen, die in die Läden und Cafés ein und aus gingen. Alle waren sie seine Untertanen, ohne davon zu wissen. Genau das hatte er gewollt, ein König des Schattens werden. Ab heute würde er jeden Tag auf seinem Balkon sitzen, seine Pfeife rauchen und sein Werk betrachten. Das würde er tun, bis sein eigenes Ende kommen würde. Dann würden sie allesamt mit ihm untergehen, alle gemeinsam mit ihrem König, von dessen Existenz sie nie erfahren würden. Sein Reich musste mit ihm untergehen. An dem Tag, an dem er seinen letzten Atemzug machen würde, würde die ganze Strasse in die Luft fliegen.  





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